Durch die ständige Wirkung der Schwerkraft auf den
Organismus besteht ein kontinuierlicher Fall, der nur vom Boden aufgefangen
wird. Wäre kein Boden, würde der menschliche Körper unentwegt nach unten
fallen.
Diese nach unten wirkende Energie besteht im Sinne
eines Naturgesetzes immer. Jede Bewegung und jede Haltung ist damit in letzter
Konsequenz eine nach unten gerichtete Energie.
Körperaussteuerung meint unter Berücksichtigung
dieser Grundannahme die zweckgerichtete Justierung sämtlicher an Bewegungen und
Haltungen beteiligter Körperteile. Von außen kaum einsehbar sind innere
Bewegungen als Mikrobewegungen zu verstehen, die durch Entspannung initiiert
werden – also aufwandslos und verschleißarm sind. Ihnen stehen typische und
sozial vermittelte Anspannungen gegenüber, die Verschleiß fördern und Macht
nehmen.
Entspannung ist die Grundlage effektiver
Bewegungsaussteuerung. Sie ist ein Auflösungsprozess zur Reduzierung von
Reibungsflächen und Druckmomenten im Körper. Druck im Sinne der
Formveränderungsarbeit entsteht durch Widerstand. Innere Widerstände sind alle
Bewegungsmuster oder Haltungen, die durch Spannung oder Druck generiert werden.
Über die körperliche Ebene hinaus sind konditionierte Emotionen oder Gedanken
innere Widerstände, deren Negativwirkungen sich auch auf körperlicher Ebene
manifestieren. Die Schockstarre bei Angstzuständen ist ein nachvollziehbares
Beispiel dafür, wie Gefühle den Körper beherrschen. Der Umkehrschluss muss also
lauten: Wer seinen Körper beherrscht, beherrscht auch seine Gefühle – und auch
seine Gedanken. Der Ansatz, von welchem aus gearbeitet wird, ist egal, doch
sollte der Körperarbeit der Vorzug gegeben werden, ist doch gerade der Körper
ein hervorragendes Instrument zur Steuerung und Überprüfung von Mustern,
Gewohnheiten oder neuen Ansätzen.
Durch die Verbundenheit von Geist und Körper
hemmen innere Widerstände nicht nur isolierte Lebensbereiche, sondern die
gesamte menschliche Existenz, denn es gibt keine Trennung zwischen Geist und Körper.
Das Paradigma „Körper-Haben“ ist, berücksichtigt man nochmals die Wirkungen
affektiver oder kognitiver Prozesse auf den Körper oder umgekehrt, hinfällig
und wird durch das Paradigma „Körper-Sein“ ersetzt. Der Mensch hat keinen
Körper, er ist ein Körper. Darum sind alle spürbaren Elemente des Körpers zu
erkennen, sind sie doch ein unmittelbarer Ausdruck menschlichen Seins.
Innere Widerstände als existenzielle Blockaden
führen zu verkrampften und angespannten Bewegungen, Haltungen, Glaubenssätzen,
Ängsten etc., welche sie zugleich sind. Darum ist die Auflösung sämtlicher physischer
und psychischer Widerstände die Basis effektiver Bewegung und produktiver
Kreativität.
Die Auflösung der Widerstände, das Weichmachen von
Druckmomenten oder das Nicht-Begreifen-Wollen geschieht an den Reibungsstellen
der menschlichen Existenz, also an allen Punkten, die vom Intellekt erfasst werden
und der Deutung oder Beschreibung – und damit letztlich der Trennung – dienen.
Da sich Widerstände stets gegen etwas richten, darf der Blick weder am
Widerstand, also z. B. der eigenen Angst, haften bleiben noch an dem Phänomen,
gegen welches sich der Widerstand richtet, also z. B. konstruierte
Wirklichkeitsmuster oder realexistierende Objekte oder Situationen. Würde ein
Anhaften stattfinden, käme es niemals zur Auflösung von Widerständen, sondern
lediglich zur Verwaltung dieser mithilfe konditionierter Verwaltungsoperatoren.
Statt der puren Auflösung würden Umdeutungen, inhaltliche Variationen oder
Ähnliches stattfinden, niemals jedoch eine Be-Frei-ung.
Bei der Bewegung ist es der Druck gegen den Boden,
der als Widerstand auszumachen ist, ebenso die mühevolle Arbeit des Körpers
gegen die Schwerkraft anzukämpfen. Während die Schwerkraft den Körper nach
unten drück, drückt sich der Körper dagegen, um aufrecht zu bleiben. Dieser
Druckmoment ist ein Widerstand, der verschleißend wirkt und nur durch absolute
Hingabe gelöst werden kann. Feinsteuerbare Mikrobewegungen sowie direkte und
bedingungslose Einwirkungen auf körperinnere Prozesse werden so möglich.
Beim Denken und Fühlen sind es konditionierte
Wahrnehmungs- und Deutungsmuster. Durch sie gibt der Mensch seine Macht ab und
wird von ihnen beherrscht. Der Weg der Machtnahme besteht darum in der
Auflösung von Deutungskategorien und Handlungsmustern – auch die soziale
Interaktion betreffend, denn Macht hat auch stets eine soziale Komponente. Macht
als Verantwortung, Bewusstsein, Achtsamkeit oder Handlungsbevollmächtigung kann
nur zur Geltung kommen, wenn eine Versteppung bestehender und fremdinduzierter
Prozesse stattfindet. So ist die Macht der Ausdruck von Formgestaltung und
Formsteuerung – der Mensch ist machtvoll, wenn er effektiv seine Realität
begehen kann und dies in Freiheit tut. Macht ist also keine Kontrolle im Sinne
des Hütens und Verwaltens, sondern im Sinne der Hingabe an das, was ist, ohne
dass der Wunsch besteht, etwas ändern oder beeinflussen zu wollen.
All das, wovor man sich fürchtet, darauf bezieht
man sich. Dies erzeugt Widerstand, Reibung, Druck. All das, was man glaubt,
bekämpfen zu müssen, darauf bezieht man sich, erzeugt Widerstand, Reibung,
Druck. Darum liegt die Essenz aller Machtansprüche in der Auflösung von Bezugs-
bzw. Haltepunkten. Auch der Wunsch nach Freiheit ist eine Flucht vor der
Unfreiheit und damit als Haltepunkt zu definieren, welcher als Widerstand
fungiert und aufgelöst werden muss.
Bezugs- und Haltepunkte ergeben sich aus den
machtlosen Aktionen, mit denen Menschen tagtäglich hantieren. Statt ihre Macht
in Anspruch zu nehmen und selbstbestimmt zu leben, verwalten sie ihr Wissen und
das der anderen. Verwaltungsoperatoren stehen dort, wo Freiheit und Macht einst
standen. Typische Verwaltungsoperatoren sind das Denken in Ursache und Wirkung,
in Vergangenheit und Zukunft oder in anderen Konstruktionen. Wenn das
Angriffsziel die Wirklichkeit ist und die Absicht lautet, sich ihrer machtvoll
zu bedienen bzw. sie zu steuern oder zu kontrollieren, darf es keine Verwaltung
mehr geben, sondern nur noch pure Bewegung – eigengesteuerte Bewegung.
Verwaltung ist stets Abhängigkeit. Sie wird
offenbar, wenn ein Zielzustand erreicht werden soll. Sofort werden Konditionen
konstruiert, die (scheinbar) erfüllt werden müssen, um jenen Zielzustand zu
erreichen. Dadurch begibt man sich in Abhängigkeit zu den Konditionen und
verwaltet weiterhin eine Wirklichkeit, die konditioniert ist und nicht frei
sein kann.
Ein Beispiel vermag hier Klarheit schaffen: So
haben wir einen Menschen, der sich ein erfolgreiches Leben wünscht und als
Bedingung dafür beruflichen Erfolg determiniert. „Erst wenn ich im Beruf Erfolg
habe, bin ich ein erfolgreicher Mensch.“ Mit diesem Glaubenssatz kaut er nur
das wieder, was Eltern, Lehrer, Politiker oder andere Instanzen vermittelt
haben. Erfolg wird ihm wohl nie beschieden sein. Wer erfolgreich sein will,
sollte dies bedingungslos sein. Nicht erst, wenn Faktor A, B oder C (scheinbar)
erreicht wurden, sondern sofort – auf der Stelle, ohne Ausreden, Vorwände oder
primitiven Begründungsversuchen, warum es denn doch nicht ginge.
Hierbei ist das kausale Denken als größtes
Hindernis auszumachen, suggeriert es doch stets einen Bedingungszusammenhang
aus Ursache und Wirkung. Jede beobachtbare Wirkung muss eine oder mehrere
entsprechende Ursachen haben. Dieses Kausaldenken ist einzig dem Menschen
gestattet, ist er doch das einzige Lebewesen, das die Kategorien der Zeit
konstruiert. Keine Zeit – keine Kausalität! Keine Vergangenheit – keine Zukunft
– nur gegenwärtiges Sein! Die Tendenz, Ursachen festzuschreiben, ist tief in
uns hineingetrieben und erlaubt uns (scheinbare) Analysen. Bei genauerer
Betrachtung der Wirkungsweisen des Geistes, wird jedoch sichtbar, dass es nie
Ursache und Wirkung geben kann, sondern immer nur mentale Erzählungen, die
nicht während, sondern nur nach der geschehenen Wirklichkeit verfasst werden.
Wer die Wirklichkeit sehen will, muss das Wahrnehmungsfeld der Kausalität bzw.
Ursachenzuschreibung verlassen.
Dafür müssen Reiz-Reaktions-Mechanismen aufgelöst
werden bzw. Reize als Wahrnehmungsimpulse und nicht als objektive Wirklichkeit
verstanden werden. In der Regel taucht ein Reiz auf und der Mensch reagiert auf
diesen durch Verarbeitungsmechanismen, die ihrerseits Gedanken und Gefühle
beinhalten oder solche erzeugen. Verharrt mein bei Gedanken oder Gefühlen
gelangt man nicht zur Wirklichkeit, sondern verweilt in seinem Netz aus
Konditionierungen. Die Bezugnahme auf Empfindungen oder gedankliche Modelle
kann darum niemals in das Hier und jetzt führen, sondern lediglich in die
Verwaltungsposition, in der alles noch deutbar zu sein scheint. Um also eigene
Aktionen zu erzeugen, müssen die Reiz-Reaktions-Muster entkoppelt werden, jede
Reaktion ist als Konditionierung und damit als Widerstand zu begreifen.
Hierbei hat sich erwiesen, primär das kausale
Denken der Illusion zu überführen. Dass die Vergangenheit die Gegenwart prägen
würde, ist ein Irrglaube, resultiert er doch lediglich aus dem Intellekt, der
der Wirklichkeit stets nachgesetzt ist und lediglich Wissen verwaltet, dieses
aber nicht erwirkt. Somit erzeugt der Intellekt eine (scheinbar) sinnvolle
(kausalbedingte) Narration – doch mehr nicht, nur eine Erzählung – nicht die
Wirklichkeit.
Die Auflösung von Reiz-Reaktions-Mustern und damit
einher die Auflösung innerer Widerstände führt synchron zur Auflösung der
(scheinbar) widerständischen Umwelt. Die eigene Entspannung bedingt eine
Entspannung des Gegenübers. Im Zweikampf ein nicht zu vernachlässigender
Faktor, der praktisch zur Bewegungsunfähigkeit oder zur Aufgabe der
Koordinationsfähigkeit des Gegenübers führen kann. Durch die eigene
verschleißarme und drucklose Haltung bzw. Körperaussteuerung und die dadurch
vorhandene Widerstandslosigkeit, ist man nicht greifbar, nicht kategorisierbar.
Der Reiz „Angriff“ wird von der konditionierten Reaktion „Flucht“ oder
„Verteidigung“ entkoppelt. Flucht oder Verteidigung sind dann keine bedingten
Handlungsmöglichkeiten mehr, was zu eigener Aktionsvielfalt führt. Das bedeutet
Kontrolle, also effektive Machtnahme! Im weiteren Sinne muss auch die
Wirklichkeit ihren Widerstand aufgeben und letztlich vor der in Anspruch
genommenen Macht kapitulieren. Die Auflösung der Struktur, egal welcher Form,
bietet die Möglichkeit der Machtnahme ohne etwas dafür tun zu müssen, denn es
gibt nichts mehr, das überwunden oder dem widerstanden werden müsste. Der Weg
ist frei für Intuition, Spontanität und Spiel. Dadurch werden wiederum bedingungsgekoppelte
Reaktionen minimiert.
Durch diesen radikal-reduktionistischen Ansatz
werden jeder Glaubenssatz, jede Idee, jede Lehre, jedes Wissen hinfällig, denn all
diese Dinge beruhen auf Konditionen und Konditionierungen. Auch das hier Geschriebene
verliert seine Gültigkeit beim Lesen desselben. Um die eigene Verfügungsgewalt
zu stärken, bedarf es keines Wissens und oder Deutungen von Sachverhalten, denn
die Inhalte von Wissen und Deutung sind immer von Konditionierung betroffen.
Sie sind antrainierte Reaktionen auf einen Reiz, wie das Bellen eines Hundes
beim Klingeln an der Haustür.
Etablierte Wirklichkeiten zur Machtabgabe und
selbstverursachten Ohnmacht:
1. Ich muss erst meine Ängste loslassen, dann kann
ich leben.
-> Nein! Sofort leben!
2. Ich muss erst meine alten Muster überwinden,
dann kann ich glücklich sein.
-> Nein! Sofort glücklich sein!
3. Erst müssen alle Kriegstreiber fort sein, dann
kann Frieden herrschen.
-> Nein! Sofort Frieden!
4. Ich muss erst intensiv meditieren, ehe ich mehr
Klarheit über eine Sache habe.
-> Nein! Sofort Klarheit!
Keine Ausreden oder Pseudo-Begründungen, warum
etwas nicht ist wie es sein sollte. Wirklichkeit angehen, aufwandslos,
verschleißarm, direkt durch Machtnahme statt –abgabe. Wem das „Nein“ zu radikal
erscheint, kann es durch das Wort „Vielleicht“ ersetzen, um wenigstens
überhaupt eine Relation scheinbar absoluter Wahrheiten zu bewirken und damit
ein Stück der eigenen Macht zurückzubekommen.